Presse

Eifersucht | Neumarkter Nachrichten

Nicht eifersüchtig: Der Pariser Countertenor Philippe Jaroussky stellt in Neumarkt sein neues Programm »Gelosia« vor.

Barocke Gefühle

Neues Programm »Gelosia«: Der Pariser Countertenor Philippe Jaroussky kommt in den Reitstadel Neumarkt.

Im neuen Musikzentrum La Seine Musicale unterrichtet er kulturell benachteiligte junge Musiker, zuhause erholt er sich von Bühne und Studio schon mal beim Hemdenbügeln, und gerade ist er stolz auf seine neueste CD »Gelosia« (Erato): der »King of Counters« Philippe Jaroussky stellt dieses Programm über die Eifersucht Anfang Dezember im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie und im Neumarkter Reitstadel bei den »Konzertfreunden« vor, zusammen mit seinem Barockensemble »Artaserse«. Wir haben ihn daheim in Paris über eine Stunde lang interviewt.

»Eifersucht« als Thema – gibt es dazu außer der Oper noch eine bestimmte musikalische Form?

Ja, und die habe ich schon vor 15 Jahren entdeckt: Es ist die barocke Cantate in Frankreich und Italien. Davon habe ich sogar im Computer eine Menge gefunden. Die Barockkomponisten haben mit ihr vieles ausprobiert, in komplexer Konzentration und intellektueller Ausrichtung. Bei ihren Opern mussten sie dem Publikumsgeschmack nachgeben, bei den Cantaten war das Ziel der intime Rahmen vor kundigem Publikum und die Aufführung eines vollständigen Stücks – nicht nur einzelner Arien.

Von Händel und Vivaldi haben sie viele virtuose Arien gesungen, was fasziniert Sie jetzt an diesen Cantaten?

Mein Programm und meine CD reichen von Alessandro Scarlatti bis Baldassare Galuppi, und das bedeutet einen musikhistorischen Stilwechsel, geradezu eine Provokation, den Sprung von Barock zu Klassik, wie auch bei Christoph Willibald Gluck.

Und welche Bedeutung hat das Thema »Eifersucht« dabei?

Als Wort kommt »gelosia« nur einmal im Programm vor, aber meistens singen die Männer in den Cantaten von Liebespein, und die Frauen drücken ihren Schmerz aus. Ich selbst – nein, ich bin nicht eifersüchtig und kann beruflich genauso glücklich als Sänger wie als Dirigent sein. Besonders wenn ich für solche geradezu musikologischen Programme wie in Neumarkt Neumarkt nicht kämpfen muss und Musik machen kann, wie ich sie möchte … 

Nicht eifersüchtig: Der Pariser Countertenor Philippe Jaroussky stellt in Neumarkt sein neues Programm »Gelosia« vor.
Nicht eifersüchtig: Der Pariser Countertenor Philippe Jaroussky stellt in Neumarkt sein neues Programm »Gelosia« vor.

Aber bei den Salzburger Festspielen oder in Aix-en-Provence haben sie große Rollen sehr gern gesungen: Händels »Julius Cäsar« oder diesen Sommer »Hotel Metamorphosis«, ein Vivaldi-Pasticcio.

Da war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Barrie Kosky pures Vergnügen für mich, very funny und besonders interessant durch die Zusammenschau des römischen Dichters Ovid und des Barockkomponisten Vivaldi. Aber auch, weil ich wieder mit Cecilia Bartoli auf der Bühne stehen konnte. Als junger Sänger hätte ich nie geglaubt, mit ihr singen zu dürfen... 2015 war es zum ersten Mal.

»Eifersucht«, gibt es die bei solchen Aufführungen aber sicher auch unter den Primdadonnen?

Lea Desandre mit ihren drei Rollen in dieser Aufführung kenne ich, seit sie jung war, und es war fantastisch, sie als Sängerin wachsen zu sehen. Sie ist sehr auf die Oper fokussiert und nicht auf Eifersucht. Und wenn man mit Cecilia Bartoli auf der Bühne steht, hat man keine andere Wahl, als sein Bestes zu geben, sie bringt Energie auch für die Kollegen mit.

Ein paar Tage nach der Premiere von »Innocence« in Nürnberg muss man natürlich auch Ihren Einsatz für die zeitgenössische Musik erwähnen: Was bedeutet die finnisch-französische Komponistin Kaija Saariaho für Sie?

Ich habe in Amsterdam ihre Oper »the sound remains« 2016 uraufgeführt. Sie war eine liebenswürdige Person, intelligent, der Klang ihrer Musik großartig, und auch solche Stücke wie »Innocene« sind ganz identisch mit ihr selbst. Wir werden viel an sie denken, wenn wir in zwei Jahren »the sound« wieder aufführen.

Nochmal zum Thema Eifersucht. Wer hat in Ihrer eigenen Brust die Oberhand, der Sänger oder der Dirigent?

Ein kleines Ensemble wie mein »Artaserse« zu leiten, ist für mich längst selbstverständlich. Aber wenn ich an meine Zukunft, auch an die Fähigkeiten meiner Counter-Stimme denke, dann denke ich auch ans Dirigieren. Als Counter muss man sich der schwindenden Kraft als Sänger besonders bewusst sein. Deswegen trainiere ich mehr die Brust- als die Kopfstimme und betone Bariton-Farben. Zunächst suche ich mir für meine Orchesterarbeit die Partituren von Händel oder Mozart: vor ein paar Tagen Händels „Alcina« im Théâtre des Champs-Elysées in Paris oder
Mozarts »Mitridate« in Montpellier. Mein Traum ist als Dirigent eindeutig Mozart – und in zehn Jahren der »Don Giovanni«. Auf der Bühne zu singen ist für mich crazy , Dirigieren ist exhausting. Und schließlich ist das Leben ja voll von Überraschungen...

Montag, 1. Dezember 2025, 19.30 Uhr, im Reitstadel Neumarkt; Restkarten eventuell an der Abendkasse.

Dieses Interview von Uwe Mitsching mit Philippe Jaroussky ist am Freitag, den 14. November 2025 in den Neumarkter Nachrichten erschienen.