Adieu mit Mozart | Rezension I
Ein kleines Tränchen zum Abschied: Sabine Meyer verzaubert Publikum ein letztes Mal im Neumarkter Reitstadel mit einem Mozart-Abend.
Ein kleines tränchen zum abschied
KONZERTFREUNDE Sabine Meyer verzaubert Publikum ein letztes Mal im Neumarkter Reitstadel mit einem Mozart-Abend.
Uwe Mitsching
Vor einiger Zeit hat ein findiger Journalist ausgerechnet, dass Besuchern von Klassikkonzerten, -festivals und -opern mit 18,2 Millionen Ticketkäufern nur 13,2 Millionen Bundesligabesucher gegenüberstehen. Im Neumarkter Reitstadel war jetzt eine Künstlerin zu Gast, die an vielen „Ausverkaufts“ schuld war. Da wird sie nächstens in der Bilanz fehlen, denn die Klarinettistin Sabine Meyer nimmt dieses Jahr sukzessive und geordnet nach Besetzungssparten Abschied von der Konzertbühne. Schade! Adieu also bei den „Konzertfreunden“: ohne viele Worte, aber sichtlich gerührt beim frenetischen Schlussapplaus und dem sehr passenden „Abendlied“ von Robert Schumann in einer Busoni-Bearbeitung.
Von den „Konzertfreunden“ war zu erfahren, dass dieser Sabine-Meyer-Abend der erste war, der in der Saison 25/26 ausverkauft war. Und in einem Konzert nur mit Mozart hatte man Gelegenheit, über die Gründe nachzudenken, warum die Reihen so voll waren: Sabine Meyer spielte mit bei Mozarts Quintettsatz KV 580 b und bei dem wunderbaren Klarinettenquintett KV 581, ihre Partner waren Ehemann Reiner Wehle, wichtiger aber noch das Armida-Quartett, dessen Interpretation von Mozarts „Dissonanzenquartett“ KV 465 überdies das Publikum zu nachdenklicher Bewunderung veranlasste.
Von Anfang an war Sabine Meyer trotz der Abschiedsgefühle sportlich präsent wie immer (eine Hobby-Reiterin), war von intensiver Kommunikationsfreude im Zusammenspiel, kam ohne alle „mozärtliche“ Süßlichkeit aus, überzeugte durch eine präzise überlegte Ausdrucksfähigkeit. Der 1783 in Wien entstandene Quartettsatz war denn auch mehr als eine Art Ouvertüre, sondern in kleiner Form schon ein Porträt der Fähigkeiten von Sabine Meyer.
Die kamen dann besonders im „Stadler-Quartett“ zum Tragen, dem Mann gewidmet, der für Mozart die Instrumente erfand, baute und wohl auch bei den Aufführungen mitspielte, der also wusste, was alles er diesem neuen Klang zumuten konnte. Das weiß auch Sabine Meyer und hat es als Professorin bis 2022 in Lübeck auch weitergegeben: versiert in jeder technischen Hinsicht, bei der Auswahl ihrer Instrumente, immer noch mit einer Frische, mit der besonders solche bekannten Stücke wie eben das Stadler-Quintett schon immer von ihr gespielt wurden.
Wie oft sie es selbst interpretiert hat, sieht man den zerfledderten Noten auf ihrem Notenständer an: nein, kein Tablet wie bei Armida-Quartett. Mit dem gestaltet sie ihr Zusammenspiel im Bewusstsein ihrer singulären Möglichkeiten, auch ihrer Hingabe für dieses Farewell-Konzert. Nirgendwo in dieser Wiedergabe stellt man eine Reduzierung der muskulären Fähigkeiten, der Finger, des Atems, fest.
Auch nicht der bewusst wahrgenommenen Führungsqualitäten. Da gelingen zumal im zweiten Satz der Wechsel von innigen, weit ausholenden Klangbögen und der quirligen Virtuosität. Man sieht Sabine Meyer an, dass sie glücklich ist, dass alles noch so perfekt klappt, auch im Trio II des Menuetts: mit Frische, Energie und Poesie.
Die Variationen des Finales zeigten, was diese Musikerin so berühmt gemacht hat und dass sie in den noch ausstehenden Abschiedsstationen noch einiges zulegen kann.. Vielleicht ja auch mit diesem perfekt aufspielenden Armida-Quartett: schon zwanzig Jahre im Geschäft, weit mehr als eine Assistenz für diesen Abend, empfohlen durch den Sieg in einem ARD-Wettbewerb und durchweg überzeugend mit einer Quartettkunst in der Tradition von Josef Haydn: nie verschnörkelt, sehr selbstbewusst in allen Stimmen, mit herzhafter Betonung der Führung durch Primarius Martin Funda. Subtiler auf Sabine Meyer eingehend konnte man sich das nicht vorstellen.
Aus der gleichen Generation und mit den gleichen Fähigkeiten zum „Klangmagier“ kommt schon eine Woche später am kommenden Donnerstag der Geiger Thomas Zehetmair nach Neumarkt, und von Mozart kann man ja sowieso nicht genug bekommen.
Die Konzertkritik »Ein kleines Tränchen zum Abschied« erschien am 25. Oktober 2025 in den Neumarkter Nachrichten.

