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Eifersucht | Rezension Mittelbayerische Zeitung

Weltklasse-Sänger Philippe Jaroussky und das Ensemble Artaserse begeistern im Reitstadel

Liebesschmerz in Vollendung

Weltklasse-Sänger Philippe Jaroussky und das Ensemble Artaserse begeistern im Reitstadel

Die Liebe entwickelt ja gemeinhin so ihre schillernden Facetten. Aus Leidenschaft und Inbrunst kann auch schnell Liebesleid, Verzweiflung, Zorn und Eifersucht erwachsen. In ihren vielfältigen exaltierten Ausdrucksformen ist die Musik des Barocks nahezu ideal, um seelische Zustände zu zelebrieren und kunstvoll in Formen zu gießen.

Wenn dann noch ein Sänger der absoluten Spitzenklasse, wie es der französische Countertenor Philippe Jaroussky nun mal zweifellos ist, sich mit dem nicht minder superben Ensemble Artaserse zusammentut, dann entsteht ein barockes Feuerwerk, das in seinem Ausdruck und in der Interpretation kaum zu überbieten ist. Dabei können sich die sechs Instrumentalisten und Jaroussky erlauben, ein Programm zusammenzustellen, das auf die ganz großen Schlager der Barock-Charts verzichtet, zugunsten einer feinsinnigen Zusammenstellung aus Kantaten und Instrumentalstücken von Baldassare Galuppi, Nicola Porpora, Francesco Durante, sowie von Alessandro Scarlatti und seinem Sohn Domenico.

 

»Dieser Saal passt perfekt zu meiner Stimme«, sagt Philippe Jaroussky über den Historischen Reitstadel in Neumarkt, wo er sozusagen Stammgast ist und bereits zum fünften Mal auftrat, begleitet vom Ensemble Artaserse
»Dieser Saal passt perfekt zu meiner Stimme«, sagt Philippe Jaroussky über den Historischen Reitstadel in Neumarkt, wo er sozusagen Stammgast ist und bereits zum fünften Mal auftrat, begleitet vom Ensemble Artaserse

Unerhört lässig

Gegen Ende des Konzerts im Reitstadel hatte sich Jaroussky schon auch Vivaldis bekannte Kantate »Cessate, omai cessate!« als Rausschmeißer aufgehoben, aber auch bis dahin war das Auditorium des Neumarkter Reitstadels verzückt von der Expressivität barocken Ausdrucks und der immer wieder beeindruckenden sängerischen Mühelosigkeit des Countertenors.

Der Franzose agiert weit weg von der Zerbrechlichkeit einer sensiblen Kopfstimme. In der Gestaltung der ausufernden Rezitative und Da-Capo-Arien schöpft er aus dem Vollen, zupft mittendrin aus dem Nichts seine Töne, lässt aber genauso auch seine Stimme ins völlige Pianissimo verdimmen. Virtuosität hat bei ihm eine unerhörte Lässigkeit, die nur dazu dient, den Affekt zu verstärken, das Liebesleid und die Raserei zu überhöhen.

Dabei kann sich Philippe Jaroussky blind auf die sechs Instrumentalisten des Ensembles Artaserse verlassen, die weit davon entfernt sind, nur eine nette Begleitung auf dem Generalbass zu sein. Flirrend, zupackend, aber auch dort zurückhaltend, wo der Solist Raum und Zeit braucht – schöner kann man kammermusikalische Gesten kaum gestalten, intensiver kann ein Zusammenspiel nicht sein.

Die beiden Scarlatti-Sinfonien und Vivaldis Konzert in g-Moll waren dabei mehr als Raumteiler zwischen den Kantaten, sie setzten stets den perfekten Ton und die Stimmung für den nachfolgenden Liebesschmerz-Bekundungen.

Virtuos und voller InbrunsT 

(…)

Die hohe Güte des Konzertes war das eine – das andere war die höchst gelungene Stilkunde, mit der das Programm die verschiedenen Strömungen und Traditionen des Barockzeitalters bis hin zum beginnenden Klassizismus auffing. 

(…) Wie wenig doch Barockmusik an Besetzung braucht, um eine dramatische Klangsprache zu finden, war neben der betörenden Aufführungsqualität auch die erneute Erkenntnis – nur wenige Jahrzehnte später brauchte es für ähnliche Ausdruckskraft schon große Symphonieorchester.

Das restlos begeisterte Publikum der Konzertfreunde Neumarkt erklatschte sich zwei Arien als Zugaben: »Alto Giove« von Porpora und Vivaldis »Sento in Seno«. Einmal mehr virtuos und voller Inbrunst. Mehr Barock geht beim besten Willen nicht.

Dieser Artikel von Andreas Meixner ist am Mittwoch, den 3. Dezember 2025 in der Mittelbayerischen Zeitung erschienen. www.mittelbayerische.de