Papillions | Rezension
Die junge Pianistin Martina Consonni begeisterte bei den Konzertfreunden im Reitstadel.
Papillons
Auszüge aus der Kritik von Uwe Mitsching zum Konzert vom 17. Mai 2025Die Begeisterung für das Programm der »Neumarkter Konzertfreunde« hält an. Noch kurz vor Saisonschluss und belohnt durch Zugaben, eine glücklich lächelnde Pianistin, die Beifallsstürme des Publikums. Parallel dazu laufen schon die Nachrichten der Konzertfreunde ein: ausverkaufte Abende in der nächsten Saison, nur Stunden nach Vorverkaufsbeginn lediglich noch Plätze auf den Wartelisten. Aber auch 2025/26 wird es so ein Konzert geben wie das von Martina Consonni aus Sir András Schiffs Meisterkursprogramm »building bridges« und mit dem Motto: »He presents young pianists«. So bescheiden das klingt, Schiff schickt die jungen Pianisten mit solchen Komplimenten wie »ihre Musikalität ist mitreißend« auf den Weg nach Neumarkt - jetzt eben Martina Consonni. Im Reitstadel macht der BR erstmals Videoaufnahmen, schneidet das Konzert mit, und die Solistin stellt sich mit silbern glitzerndem Schuhwerk auf Publicity ein. Da muss man ihr am Anfang ihres »Papillons«-Programms vielleicht ein bisschen Lampenfieber und unnötigen Geschwindschritt nachsehen. Auch wenn es schade ist für die drei Scarlatti-Sonaten als Entrée, die teilweise auf schnurrendes Räderwerk reduziert werden und deren Phrasierung über manches Einfallsreiche schnell hinweghuscht. Dabei hätte es in der Barockmusik so viele Varianten von »allegro« gegeben, was ja nicht »schnell«, sondern »heiter« heißt.
Eine musikalische Bildersprache, die zu Herzen geht

Aber der erste Schreck war schnell vorbei, weicht glücklichen Empfindungen beim Andante von Domenico Scarlattis Nr. 380 (von 550 Sonaten) mit den Militärmotiven als Vorgängern von Mozarts »Così fan tutte«. Und die verwegenen Triller, die sind dann auch schon eine sehr passende Überleitung zum Rest des Programms. Denn das heißt »Papillons«, es präsentiert nicht die vermeintlich großen Gipfel der Klavierkunst, sondern hat sich mit Schumanns op. 2 und dessen visionären Ballszenen auf wunderbare, klein dimensionierte, aber großartige Stücke von Barock bis Romantik konzentriert: auf Haydns op. 79, aus England mitgebracht, mit dem signifikanten Staccato-Beginn, witzigen Echo-Wiederholungen als sehr beredtes Rokoko-Amusement in herrlicher Scherzo-Spiellust. Verblüffende Geläufigkeit Oder auf Franz Schubert und die sonnige Stimmung, Melodik der Sonate A-Dur op. 120, für ein 18-jähriges Mädchen in Steyr geschrieben, mit hinreißenden Romantizismen , die von Martina Consonni in gleichgestimmter, wunderbar sprechender Flüssigkeit gespielt werden. Zur Pause konnte man schon die erste Begeisterung formulieren: über Consonnis verblüffende pianistische Geläufigkeit und sich steigernde technische Perfektion als Basis von allem, ihr Gefühl für Witz und italienische Leichtigkeit, auch für eine musikalische Bildersprache, die zu Herzen geht und bis ins Visionäre gehen kann.
Aber dann kam ja erst das Titelstück des Programms: Robert Schumanns Zyklus »Papillons«, kein Stück über exotische Schmetterlinge, sondern voll von Ballszenen und -impressionen: Miniaturen, aphoristisch, absichtlich gelegentlich unfertig, nach einer literarischen Vorlage. Dafür hat sich Martina Consonni einen jeweils hurtig wechselnden Ton zurechtgelegt, für jede der oft nur sekunden-, minutenlangen Eindrücke - nie nur eilends verwischt, sondern immer exakt formuliert als wär’s der Kristalllüster des Ballsaals. Die junge Dame aus Como spielt das äußerst stilsicher, lässt sich schnell auf die vorüberziehenden Situationen ein, nimmt das Publikum hinreißend mit, lässt alles ohne jede falsche »romantisierende« Sentimentalität. Aber sie findet viele Bezüge zur Motivwelt von Schumanns Liederzyklen, zu deren Ritterburgen und verletzten Seelen. Das alles gelingt ihr in stupender technischer Versiertheit, immer sinnfälliger Virtuosität. So standen diese »Papillons« mit unerwarteter, perfekter Überzeugungskraft im Mittelpunkt des Programms, am Ende durften es die berühmtesten Chopin-Schmetterlinge sein (Ballade Nr. 2., Scherzo Nr. 31), die das geradezu sensationelle Reitstadel-Debüt abrundeten: nicht nur in melodischer Zartheit, sondern auch mit dem Mut zu kraftvoll-balladesken Bildern, begleitet von der Zugabe von größtmöglicher Delikatheit. Wer würde sich nach diesem geradezu sensationellen Karriere-Startschuss nicht schon auf den nächsten freuen: In der nächsten Saison gibt es statt der »Papillons« von Schumann die »Préludes« von Debussy und Chopin, nach Martina Consonni Nathalia Milstein auf der András-Schiff-Brücke.
Der Konzertbericht »Brückenbau mit Schmetterlingen: Pianistin Martina Consonni begeisterte in Neumarkt« erschien am 19.05.2025 in den Neumarkter Nachrichten.