Rendezvous | Rezension Neumarkter Nachrichten
Vier Herren mit feuriger Karriere: Die vier Streicher vom Goldmund Quartett eröffneten die Konzertfreunde-Saison im Neumarkter Reitstadel.
RENDEZVOUS
AUFTAKT Das Goldmund Quartett hat mit Schubert, Brahms und Bacewicz überzeugt.Das „Goldmund Quartett“ zum Saisonbeginn: hinter diesem Namen macht der „Konzertfreund“ schon längst kein Fragezeichen mehr, und die jungen Herren aus München, mit der gemeinsamen Schul- und Studienzeit machen auch im Sommer keine Pause auf dem Weg ihrer fulminanten Karriere. Ihre Namen - Florian Schütz, Pinchas Adt, Christoph Vandory und Raphael Paratore - tauchen beim Mosel-, beim Bodensee-, mehrfach beim Schleswig-Holstein-Festival auf, es gab ein Debut bei der Schubertiade Hohenems, und das alles, nachdem man schon im Mai ein eigenes „Goldmund-Festival“ in Oberbayern gespielt hatte.
Seit 2009 musiziert man zusammen, und bei den „Neumarkter Konzertfreunden“ gibt es positive Erinnerungen an 2021 und an zwei CDs, die hier aufgenommen wurden. Bei einer CD-Blindverkostung erkennt man seine eigene Haydn-Aufnahme wieder: „Das ist unser Debüt“, und der Cellist Raphael Paratore weiß auch warum: „Die musikalische Aussage steht über allem.“
Also macht man sich beim ausverkauften Konzert auf die Suche nach dem Feuer, das die Goldmunds gemäß der Schlussworte von Hermann Hesses „Narziß und Goldmund“ beschwören wollen. Und hofft natürlich besonders darauf beim Streichquartett Nr. 4 von Grazyna Bacewicz (1909-1969), für das die polnische Komponistin den 1. Preis beim Komponistenwettbewerb Lüttich 1951 bekommen hatte. „Wir lieben dieses Stück“, sagt Cellist Paratore.
Kein Wunder, denn es beginnt mit einem satten Cello-Solo, in das die anderen Streicher vehement einstimmen. Wer als polnische Komponistin (und Geigerin) 1951 ein Streichquartett schreibt, hatte viel aufzuarbeiten: aus Krieg, Besatzung, Kommunismus in einem geschundenen Land.
Das hört man in den klagenden Klängen von Viola (hingebungsvoll: Chirstoph Vandory) und Cello, hört aufscheinende Hoffnung in den Violinen - es ist sehr ambivalent, was das Goldmund Quartett hier zu erzählen hat, und Bacewicz weiß, was sie den Stimmen an Ausdruckskraft zumuten kann, welche wechselnden Farben, effektvollen Satzschlüsse, fahlen Stimmungen.
Aufgaben, die das Goldmund Quartett hingebungsvoll und präzise überlegt meistert: von bravouröser Klangfülle bis zu geheimnisvollem Flirren: „energico“ könnte man über alle Sätze schreiben, auch wenn sich die zweite Geige (Pinchas Adt) hier sehr prägnant zu Wort meldet. Oder man die angekündigte „polnische Folklore“ entdeckt, die eher nach Bartok als nach Schostakowitsch klingt und viele Details wie die tänzerische Grazie enthält - alles vom Goldmund Quartett unermüdlich, vehement, effektvoll ausgekostet: große Zustimmung des Publikums.
Nicht nur ein Restprogramm um Bacewicz herum, sondern eine interessante Konfrontation in Sachen Romantik: der junge Schubert mit Quartett-Frohsinn für die musizierende Familie, keineswegs mit der Nr. 10 eine Anfängerarbeit des 16-Jährigen. Das Eingangsallegro gelingt mit innigen Passagen und Gefühlskontrasten in fein nuanciertem Fließen, samtweich im Klang. Es ist die Kunst des Kostbar-Einfachen, die hier zelebriert wird, oder die Kunst der Erregung etwa im Trio des Menuetts mit den Bordunklängen.
Keineswegs das alles aus einer nur glücklichen Zeit, sondern zwischen Völkerschlachten und Wiener Kongress entstanden. Das klingt nicht nur rückwärtsgewandt, sondern nach bewegender Innerlichkeit und gelingt so homogen auch angesichts der aufmerksamen Kommunikation der vier Streicher und der Klangharmonie der vier Stradivari-Instrumente des „Paganini-Quartetts“, das die Goldmunds spielen dürfen.
Das Gegenstück zur frühen war die Spätromantik von Johannes Brahms: mit dem Streichquartett op. 51/2, seinem Freund Theodor Billroth gewidmet, einem strammen Antisemiten und Chirurgen in Wien. Die motivische Fülle schon des ersten Allegros gelingt dem Quartett hinreißend in durchdachter Phrasierung und voll tönender Ausdruckskraft ohne alles Schnörkelhafte, mit jugendlicher Frische in der zärtlichen Melodik.
Ein wenig retrospektive Ironie bestimmt das Trio im Menuett: Da huscht noch eine Spur von Sommernachtstraum vorüber, das Finale gelingt so furios wie nötig und genauso wie sich das Goldmund Quartett in seiner Karriere zeigt: angefeuert auch durch Zugaben mitreißender alpenländischer Volksmusik: ein Gruß von der Wies’n?
Die Konzertkritik "Vier Herren mit feuriger Karriere" von Uwe Mitsching erschien am 27. September 2025 in den Neumarkter Nachrichten.