Presse

Stuttgarter Kammerorchester & Thomas Zehetmair | Rezension Mittelbayerische Zeitung

Das renommierte Stuttgarter Kammerorchester mit Thomas Zehetmair am Dirigierpult, an der Violine und mit der Notenfeder waren am Donnerstag Gäste im Neumarkter Reitstadel.

DIRIGENT UND VIOLINIST ZUGLEICH

Stuttgarter Kammerorchester gastierte im Reitstadel

 

Das renommierte Stuttgarter Kammerorchester mit Thomas Zehetmair am Dirigierpult, an der Violine und mit der Notenfeder waren am Donnerstag Gäste im Neumarkter Reitstadel. Die Besetzung war trefflich geeignet für Felix Mendelssohn Bartholdy, Wolfgang Amadeus Mozart und auch für Zehetmair.
Ersterer war ein 14-jähriges Bürscherl, als er seine Streichersinfonie Nr. 10 in h-Moll aus dem Ärmel schüttelte. Das einsätzige Werk füllt den Rahmen eines klassischen Sonatensatzes, ein Schmankerl sind die zwei Bratschenstimmen, deren erste von der glänzenden Kamila Mayer-Masłowska mit warmem und expressivem Ton gestaltet wurde. Bestens gelangen der geheimnisvoll sinnierende Anfang, gefolgt vom überschwänglich schwärmerischen Allegro mit elegant komponierten und musizierten Übergängen. Hier war das Orchester in seinem Element, mit seinen vorzüglichen Streichern, den blitzschnellen Reaktionen, dem exakten Timing.
19 Jahre alt, also fünf Jahre älter als Mendelssohn Bartholdy, war Mozart, als er das Violinkonzert Nr. 5 A-Dur KV 219 schrieb. Auch dieses verströmt jugendliches Feuer, eine außerordentlich breite Ausdruckspalette von innig, sanft, schmeichelnd, freudig, jubelnd bis hin zu frech, fordernd, bedrohlich und kämpferisch. Die letztgenannten Affekte, dargestellt mit militärischer Janitscharen-Musik bestimmen den Mittelteil des Rondeau. (…) Zehetmair an der Solovioline griff immer wieder zu einem eher herben, oft auch forcierten Ton, den er zum Ausgleich mit Vibrato milderte. (…) Ohne Verzug wurde als Zugabe eine kleine Kostprobe Zehetmair kredenzt, ein Duo für Violine und Cello (Mit Wärme und Spielfreude: Nikolaus von Bülow), das extreme Tonlagen erkundete.
Als große Portion Zehetmair folgten Passacaglia, Burleske und Choral in deutscher Erstaufführung. Wie hilfreich wäre es doch gewesen, die verwendeten Techniken (die 100 Jahre alte Zwölftonmusik) und die Zitate (Bach, oder das gregorianische „Pange lingua“ im 3. Kirchenton) nicht nur anzusprechen, sondern auch anzuspielen! Die Verwendung überlieferter Formen wie der Passacaglia zeigten, dass Zehetmair die Erdung in der Tradition sucht. Der Ausdruck streifte die Bereiche mystischer Cluster und tonaler Ruhe-Inseln im Kontrast zu wilden emotionalen Eruptionen.
Gerade volljährig war Mozart, als er die Sinfonie A-Dur KV 201 schrieb, auch sie durchströmt von lodernder Glut, überlegen in der Beherrschung des kompositorischen Handwerks, voller Überraschungen, Geist und Witz. Die spielfreudigen Stuttgarter hatten hörbar viel am Detail gefeilt, ihre gereifte Interpretation scheute weder deftige Kantigkeit noch geschmeidige Eleganz. (…)

Auszüge aus der Konzertkritik “Dirigent und Violinist zugleich” von Peter Donhauser, erschienen am 1. November 2025 in der Mittelbayerischen Zeitung.

 https://www.mittelbayerische.de/nachrichten/kultur/das-stuttgarter-kammerorchester-gastierte-bei-den-neumarkter-konzertfreunden-19834765