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Weihnachtsoratorium | Rezension Mittelbayerische Zeitung

Der Balthasar-Neumann-Chor und der Startenor Julian Prégardien gastierten im Neumarkter Reitstadel mit Bachs Weihnachtsoratorium.

Im Bann des Evangelisten

Manchmal vertraut man den Urkräften nicht. Die Angst, dass Dinge, die ziemlich gut sind, vielleicht doch über die Strecke Glanz einbüßen, sich abnutzen oder Hilfestellung brauchen. Die Programmatik, die sich der französische Dirigent Lionel Sow rund um drei Kantaten aus Bachs Weihnachtsoratorium (Teil I, V und VI) ausgedacht hatte, wirkte bei aller dramaturgischer Feinarbeit ein wenig bemüht im Versuch, die grandiose Musik mit jüngeren Werken zu kontrastieren.
Der ersten Weihnachtskantate stellte er Hugo Distlers mehrteilige grandiose Choralmotette »Wachet auf, ruft uns die Stimme« voran. Der Balthasar-Neumann-Chor war den rhythmischen und tonalen Verschränkungen des Stücks natürlich gewachsen, agierte kraftvoll und angstfrei ohne eine nennenswerte Unterstützung der Raumakustik, die auch später in der populär gewordenen Sandström-Bearbeitung von »Det är en ros utsprungen« keine Hilfe bot.

Lionel Sow leitete Orchester und Chor mit einem körperlich-intensiven und leidenschaftlichen Dirigat.
Lionel Sow leitete Orchester und Chor mit einem körperlich-intensiven und leidenschaftlichen Dirigat.

(…) bewiesen schon die ersten Takte des Weihnachtsoratoriums mit einem glänzend aufspielenden Balthasar-Neumann-Orchester, das jedes Tempo von Sow mühelos mitging, sofern er es mit seinem körperlich-intensiven und leidenschaftlichen Dirigat halten konnte und es nicht selbst verschleppte. Den Chor ließ er weiterhin kraftvoll singen, selbst in den kommentierenden Chorälen empfand man nur wenig dynamische Abstufung. Zu hören war ein Vokalensemble, das fast ausschließlich aus erstklassigen Solisten besteht. Das war selten kammermusikalisch, aber dennoch immer zupackend und mit Verve. 

 

Julian Prégardien als Evangelist.
Julian Prégardien als Evangelist.

Und bis auf den Evangelisten konnten die Solopartien aus den eigenen Reihen besetzt werden, darunter namhafte Sänger wie der Bassbariton Daniel Ochoa, Countertenor Terry Wey, die Sopranistin Agnes Kovacs oder Felix Schwandtke als Bass.

Sie bildeten auf höchstem Niveau eine künstlerische Einheit mit Julian Prégardien, der an diesem Abend erneut bewies, dass er in der Rolle des Evangelisten derzeit das Maß aller Dinge ist. Sein helles Timbre und die technische Finesse ist das eine, die dramaturgische Ausgestaltung seiner Partie sowie die künstlerische Omnipräsenz im Moment der Aufführung das andere. Mit seiner einzigen Arie »Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken« zum Ende der abschließenden Dreikönigskantate schlägt er die Zuhörer mit seiner vollendeten Sangeskunst endgültig in seinen Bann.
Zu erzählen ist noch von der Spielfreude eines Orchesters, dass sich von einer professionellen Routine nicht abhielten ließ, die Arien, Rezitative und Choräle immer auszugestalten und klanglich in der idealen Waage zuhalten.(…)

 

Auszüge aus der Rezension von Andreas Meixner, erschienen in der Mittelbayerischen Zeitung vom 17.12.2025.

https://www.mittelbayerische.de/nachrichten/kultur/im-bann-des-evangelisten-bachs-weihnachtsoratorium-in-neumarkt-20155258